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Julien Kokou Kita, Afrikanische und europäische Mentalitäten im Vergleich. Mit Beispielen aus der Beratungsarbeit, 2., aktualisierte Auflage, Lit Verlag, Berlin 2008, 120 S., aus dem Französischen von Hanne Lötters und Pierre Sossou Kadi[Record]

  • Lacina Yéo

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  • Lacina Yéo
    Université de Cocody-Abidjan/Freie Universität Berlin

Im Jahr 2003 publizierte Julien Kokou Kita beim Lit Verlag in Münster ein Essay mit dem Titel Pour comprendre la mentalité africaine. Les rapports afro-occidentaux en dynamisme constructif. Das Buch wird 2008 von Hanne Lötters und Pierre Sossou Kadi aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt unter dem Titel Afrikanische und europäische Mentalitäten im Vergleich. Mit Beispielen aus der Beratungsarbeit. In einer relativ einfachen Sprache geschrieben, bleibt diese wissenschaftliche Abhandlung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Die Ausgangsüberlegung des togolesischen Soziologen und Familienberaters ist, „dass viele interkulturelle Probleme durch Missverständnisse und falsche Interpretation der Lebenserfahrungen von Menschen aus einem anderen Milieu entstehen“ (Münstersche Zeitung vom 28. 09. 02.) Dabei stellt der Autor im folgenden Passus apodiktisch fest: Von dieser Grundannahme ausgehend, dass die Kenntnis fremder Kulturen zum besseren Verständnis und zur Akzeptanz des Anderen mitsamt seiner eigenen kulturellen Andersartigkeit beiträgt, setzt sich Julien Kokou Kita dafür ein, „einander intensiver kennen zu lernen, um fruchtbarere und stabilere Kontakte [zwischen Afrika und Europa] herzustellen“ (S. 9). Dafür liefert er in seinem Buch ein sachkundiges, ausgewogenes Exposé über Unterschiede und Gemeinsamkeiten der afrikanischen und europäischen Kulturen, über gegenseitige Einflüsse, dynamische Entwicklungen etc. Einen markanten kulturellen Unterschied zwischen Afrika und Europa sieht der togolesische Wissenschaftler im Verhältnis der Generationen zueinander: „In einer etwas überzogenen Darstellung kann man zum Beispiel sagen, dass ein junger Europäer von einem alten Menschen nichts erwartet, weil der ihm nicht beibringen kann, wie man mit einem Computer arbeitet. Kurz, Ausdrücke wie ‚Alte’ und ‚graue Haare’ sind in Afrika Zeichen tiefen Respekts, während sie in Europa fast eine Beleidigung sind. […]. Als fast unumgängliche Referenz betrachtet, sind die Alten in Afrika somit Garanten für Tradition und Erziehung.“ (24) Allerdings weiß Julia Kokou Kita zu differenzieren und zu relativieren: „In einigen Familien und Gesellschaftsschichten Europas gibt es eine Sensibilität für den Respekt alten Menschen gegenüber.“ (Ebd.). Außerdem macht er auf die Probleme aufmerksam, die mit der Behandlung älterer Menschen in afrikanischen Gesellschaften verbunden sind: „Aus europäischer Sicht betrachtet, scheint die afrikanische Hierarchie, die sich am Alter orientiert, entwicklungshemmend. Das würde den schwierigen Generationskonflikt zwischen der Jugend, die eine Schulbildung genießt, und den Alten erklären, den es sogar in einigen Dörfern gibt.“ (29) Zudem bringt Kita auf den Punkt, wie sich die afrikanische Mentalität durch den europäischen Einfluss verändert: „Viele junge Menschen sind durch den regelmäßigen Kontakt mit europäischem Gedankengut, durch die Massenmedien etc. davon enttäuscht, wie die alten Menschen in traditioneller Weise mit kulturellen Aspekten umgehen, die den jungen Menschen überholt erscheinen.“ (Ebd.) Das betrifft auch das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, worin sich afrikanische und europäische Gesellschaften bislang deutlich unterschieden: „An Stellen, an denen der Afrikaner selbstverständlich und ohne großartig nachzudenken Abstriche macht, stellt sich der Europäer die Frage: ‚Wo bleibt da meine Freiheit?’ Manche Menschen in Europa denken, dass diese individualistische Art die einzige Möglichkeit ist, die Freiheit zu genießen, vergessen dabei jedoch, dass es auch eine Freiheit auf Gemeinschaftsebene gibt, solange man in einer Gesellschaft leben will. Und der Mensch ist ein gemeinschaftsfähiges und -abhängiges Wesen.“ (40) Erkennbar will Julien Kitas Essay einen Spiegel liefern, in dem sich Afrikaner und Europäer gegenseitig betrachten. Das Werk ermöglicht, eigene Kultur im Lichte der fremden Kultur wahrzunehmen. Deshalb plädiert der togolesische Forscher für ein gegenseitiges Lernen zwischen Afrika und Europa: „In Europa stellen Institutionen sicher, dass die wirtschaftlichen Lebensbedingungen der alten Menschen ausreichend sind, aber um die moralischen und menschlichen Werte ist es nicht immer sehr gut bestellt. Afrika kann von Europa diese finanzielle Absicherung für alte Menschen lernen, und Europa kann von Afrika lernen, älteren Menschen …