Feuilleton

Kopfsache[Record]

  • Thomas Schmidt-Lux

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  • Thomas Schmidt-Lux
    Universität Leipzig

Es ist derzeit einiges im Wandel, wenn es ums Kaufen und Verkaufen geht, um Dienstleistungen und um Service. Irgendwie scheinen es alle Läden, die man auf den größeren Straßen links und rechts so sieht, schwer zu haben, und man fragt sich, wie lange sie wohl noch existieren oder im Internet verschwinden. Jeder zweite sogenannte Shop bietet ohnehin nur noch Handy-Verträge an, der Rest wechselt gefühlt alle drei Monate seinen Mieter. Gehalten hat sich hier und da ein Fleischer, da und dort ein Optiker, und Buchläden sind auch häufiger, als man in der Zeitung, die es eigentlich auch nicht mehr gibt, liest. Eine richtige Konstante, und vielleicht die stabilste überhaupt, ist der Friseur. Läden, in denen man sich die Haare schneiden lassen kann, sind nicht totzukriegen. Wie auch, mag man sofort einwenden. Haare wachsen immer und müssen geschnitten werden, egal welche Länge grad in Mode ist. Und außerdem, wirft der Internetskeptiker noch ein, gehe das ja nun wirklich nicht online: „Zum Glück“. Doch das Loblied, das man nun auf deutsches Handwerk und Tradition anstimmen könnte, würde vielleicht nur leidlich ablenken vom mediokren Stellenwert, den Friseurgeschäfte heute haben. Sie sind keine Markierer der Identität eines Viertels, sie gehören eher zum Straßenbild wie Stühle oder Tische zu einer Wohnung; unauffällig und selbstverständlich, schmucklos und notwendig, deshalb aber auch keiner weiteren Rede wert. Vermutlich wissen das auch die Friseure und versuchen deshalb verzweifelt, auf sich aufmerksam zu machen. Irgendwie muss man das Phänomen ja deuten, dass sich vor allem Friseurgeschäfte die bescheuertsten Namen geben: Wellkamm, Haarmonie, Chaarisma, Hairforce One, Haar la Carte, GmbHaar, Love is in the Hair oder eben Kopfsache – schlimmer geht immer. Dieses name game begann jedoch schon eher, und zwar bei der Bezeichnung des Berufes. Der Duden kanzelt die Rede von der Friseuse heute als „veraltet“ ab und empfiehlt stattdessen den Begriff Friseurin. Zur Umbenennung des französischen Kino-Hits „Der Mann der Friseuse“ ist es bis jetzt zwar nicht gekommen, aber dass eine neuere deutsche Komödie den Titel „Die Friseuse“ trug, sagt zur Diskreditierung des Begriffes eigentlich alles. Auch, dass es zunehmend Frauen waren, die Haare schnitten, trug zur Diskreditierung des Geschäfts bei; wer etwas auf sich hält, hat bis heute ohnehin einen „Coiffeur“. Die Modernisierung des Friseurfeldes verbleibt jedoch nicht im Diskursiven. Sie zeigt sich vor allem daran, dass sich mittlerweile alle möglichen Sparten und Spezialisierungen finden. Es gibt Friseurläden für Frauen, für Männer, für Kinder, für Familien, für Haarverlängerungen und für Zweithaar, für lange Haare, für besonders feine Haare, für Locken, fürs Färben, fürs Hochsteckfrisuren, für Brautfrisuren, für Dauerwellen und für Haarglättung – und da war von Friseuren für Hunde noch gar keine Rede. Dass Friseursalons, auch wenn sie sich Haar-Atelier nennen, trotz all dieser Bemühungen eher ein Dasein in der zweiten Reihe des großstädtischen Glamours führen, hängt vielleicht weniger mit ihrem Äußeren, als mit ihrem Innenleben zusammen. Kurz gesagt: Man wird beim Friseur oft das Gefühl nicht los, dass es doch eher um den Laden als um seine Besucher geht. Zwar geben im Grunde alle vor, den Kunden und seine Wünsche in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen zu stellen. Aber dann runzeln sie doch kaum merklich die Stirn, wenn man spezifische Wünsche äußert, oder sagen nichts und schneiden einfach nach ihren Ideen die Haare ab – beziehungsweise eben nicht. Wie hieß es noch auf dem Konzept-Album Le Frisur der „Ärzte“: „Mein Baby war beim Frisör, und jetzt mag ich sie nicht mehr. Mein Baby war beim Haareschneiden, jetzt kann ich sie nicht mehr leiden. Vorher war sie wunderschön, jetzt kann ich sie nicht mehr sehen“. Seit einiger Zeit bin ich Kunde in einem Laden namens „Men Only“. Keine Ahnung, …